31.01.2016

Kapitel 11 - Realistische Ziele und Zeiteinheiten

Jedem Trader gehen am Anfang seiner Karriere vielerlei Fragen durch den Kopf. Die wohl am meisten verbreiteten sind: Wie viel kann ich eigentlich verdienen? Welche Zeiteinheit ist die beste? Diese zwei grundlegenden Fragen werden wir in dem heutigen Kapitel etwas genauer unter die Lupe nehmen.


Bevor wir uns jedoch mit diesem Thema auseinandersetzen, müssen wir zuerst darüber sprechen, welche Ziele wir mit dem Trading verwirklichen wollen. Von dem ursprünglichen Gedanken schnell reich werden zu wollen sollten Sie sich bereits verabschiedet haben. Das wird im Trading genauso wenig passieren, wie mit allen anderen Vorhaben, die im Laufe der Zeit zu gewissen Reichtümern führen könnten. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen. Im Trading wird es sogar schwieriger sein, die Schwelle der ersten schwarzen 0 im Jahresabschluss zu erreichen. Denn unabhängig Ihrer Strategie und des Anlagehorizonts werden Sie nur mit steigender Erfahrung Geld verdienen. Und jede Erfahrung, die Sie auf dem Börsenparkett sammeln wird Sie Geld kosten, vermutlich sogar viel Geld. Es ist ein langer und psychisch anspruchsvoller Prozess. Wenn Sie es jedoch schaffen und die Prinzipien verstanden haben, werden Sie glücklich sein, diesen steinigen Weg auf sich genommen zu haben. Bis allerdings die ersten Lichtblicke folgen, wird es seine Zeit brauchen. Das ist absolut normal und gehört zum Lernprozess dazu.

Was könnte also für den Anfang ein realistisches Ziel sein? Diese Frage kursiert vielfach im Internet und es scheint als gäbe es dafür keine passende Antwort. Wir wollen doch wissen, wozu wir diesen Aufwand auf uns nehmen. Wir wollen doch wissen, ob es sich überhaupt lohnt, den Weg eines Börsenhändlers zu beschreiten. Was sollen Sie davon halten, wenn Sie gerade zum Thema Verdienst keine adäquaten Antworten finden? Eins ist sicher: Einen Ehrenkodex, der es verbietet über Gewinne und Verluste zu sprechen, gibt es nicht. Falls Sie im Internet jedoch pauschale Antworten finden sollten, gehen Sie davon aus, dass diese falsch sind. Pauschale Aussagen wie viele Prozentpunkte Sie erreichen sollten oder könnten, um sich ein guter Trader nennen zu dürfen, sind schlichtweg absurd, weil Sie von vielerlei Faktoren abhängen und eben nicht prognostizierbar sind.

Einer der zentralen Faktoren für Ihre zukünftigen Gewinne ist das Risiko, welches Sie bereit sind einzugehen. Gehen Sie eher konservativ an den Handel heran oder möchten Sie das höchste Risiko wählen. Je höher das Risiko, desto höher der mögliche Gewinn. Allerdings gilt das umgekehrt gleichermaßen auch für etwaige Verluste. Wenn Sie das Geld in „sichere Häfen“ anlegen, werden Sie wahrscheinlich über die Dauer mehr Ertrag erwirtschaften, als auf einem Tagesgeldkonto. Wenn das Ihr Ziel ist, wunderbar. Liegen Ihre Ziele etwas höher und Sie möchten erheblich mehr als nur ein Tagesgeldkonto in der Rendite schlagen, müssen Sie etwas weiter hinter die Kulissen schauen.

Liegt Ihr Interesse im (Day)Trading, können Sie eine ungefähre Vorstellung zu einer möglichen Rendite über einen so genannten Backtest herausfinden. Dabei wird Ihre Tradingstrategie mit Hilfe Ihrer Tradingsoftware rückwirkend auf die bisherigen Kursverläufe angewendet. Die Software ermittelt in diesem Verfahren wie profitabel Ihre Strategie in der Vergangenheit gewesen wäre. Sie können dabei verschiedene Indikatoren testen und sich so Schritt für Schritt eine mögliche Strategie zusammenbauen oder Ihre bisherige Strategie optimieren. Dies hat für Sie mehrere Vorteile. Zum einen erhalten Sie ein Gefühl dafür wie einfach oder auch schwer es ist, ein profitables Handelssystem zu erstellen. Darüber hinaus entwickeln Sie ein Gefühl für mögliche Renditen, Statistik, Drawdowns usw. Aber wie sollte es anders sein, die Sache hat natürlich einen Haken.

Es gibt wie bereits im Kapitel über automatische Handelssysteme das Problem, dass Sie Ihrer Tradingsoftware vermitteln müssen, wo genau Sie in der Vergangenheit eingestiegen wären. Verwenden Sie also Kriterien für den Einstieg in einen Trade, die nicht ausschließlich auf der technischen Analyse beruhen, könnte sich die Umsetzung des automatischen Backtests als schwierig erweisen oder sogar falsche Ergebnisse liefern.

Um dennoch ein Ergebnis zu erhalten, müssten Sie den Backtest manuell durchführen. Dabei könnten Sie in Ihrem Chartverlauf das letzte Handelsjahr in der Zeiteinheit betrachten, in der Sie handeln wollen. Scrollen Sie langsam den Chart vor und zeichnen Sie Ihre Ein- und Ausstiege ein. Hierbei empfehle ich Ihnen den Chart am rechten Bildschirmrand nicht zu weit zu scrollen, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. So haben Sie die Möglichkeit die Vergangenheit in Ihrem gewünschten Tempo nachzuhandeln. Dieses Vorgehen ist äußerst mühsam, jedoch sehr effektiv. Zum Üben eignet es sich hervorragend, da Sie in Ruhe die Möglichkeit haben über das was Sie sehen nachzudenken. Da Sie bei diesem Verfahren "die Zeit anhalten", haben Sie die Möglichkeit bestimmte Bereiche im Chart ausführlich zu analysieren. Ohne jeglichen Druck.

Backtests sind eine nette Methode, um aus der Vergangenheit zu lernen. Sich allerdings allein auf die Vergangenheit zu verlassen, wird Ihnen für die Zukunft keine 100% Sicherheit gewährleisten. Die Volatilität der Märkte befindet sich in einem ständigen Wandel und ist leider nicht prognostizierbar. Sie sollten sich daher auf die Gegenwart und die Zukunft fokussieren, jedoch weiterhin aus der Vergangenheit lernen.

Solange es niemanden gibt, der voraussagen kann, wo die Kurse in der Zukunft stehen werden bzw. wie volatil die Märkte in der Zukunft sein werden, wird Ihnen auch niemand eine pauschale Antwort auf reguläre Prozentangaben bezüglich der Rendite geben können.

Eine konkrete Antwort auf die Frage nach der Rendite zu geben ist schlichtweg unmöglich. Sie ist abhängig von der gewählten Strategie, dem Risiko und dem Anlagehorizont. Diese sind von Trader zu Trader unterschiedlich. Für die Frage nach der Rendite ist das zwar ärgerlich. Der Börsenhandel lebt allerdings davon. Wenn alle Marktteilnehmer das gleiche tun würden, würden sich Angebot und Nachfrage auslöschen und der Börsenhandel würde einfrieren.

Das ist wahrscheinlich nicht die Antwort, die Sie hören wollten. Es ist jedoch die einzige Antwort, die Sie darauf erhalten können. Es gibt gute Jahre und schlechte Jahre. Nichts ist an der Börse unmöglich, und nichts ist planbar.

Stellen Sie sich vor, Sie fragen eine Person in einer fremden Stadt, wie lange es dauert die nächst größere Stadt zu erreichen. Sie wollen eine konkrete Zeitangabe. Wenn der Fremde nicht weiß, ob Sie zu Fuß, mit dem Fahrrad, oder mit einer Polizeieskorte unterwegs sind, und welche Stadt Sie als nächst größere bezeichnen, werden Sie keine Antwort erhalten mit der Sie glücklich werden. Eine pauschale Antwort wie z.B "15 minuten" würde Ihnen nicht weiterhelfen. Erst, wenn Ihnen und dem Fremden alle Informationen zur Verfügung stehen würden, könnten Sie etwas mit seiner Angabe anfangen.

Daher ist es uns nur möglich einzelne Facetten, die mit der Rendite im Zusammenhang stehen, näher zu beleuchten.

Schauen wir uns an, welchen Einfluss beispielsweise die Wahl der Zeiteinheit auf unser Trading hat. Ist der Gewinn höher, je näher wir am Markt sind und jedes Zucken der Kurse ausnutzen können? Schaut man sich die Werbung an, die Videos und sogar einige Bücher, könnte man davon ausgehen. Ich habe hierbei noch meine Zweifel. Jeder Trader hat in seiner Laufbahn einmal das Bedürfnis diesem Ruf des Geldes zu folgen. Es gibt durchaus Phasen im Chart, die dieses Vorgehen erlauben. Sie sind jedoch hoch riskant, sehr selten und erfordern die ständige Überwachung des Kursverlaufs.

Das Trading auf den kleinsten Zeiteinheiten wird als Scalping bezeichnet. In der Regel wird ab dem 5min-Chart nur allgemein von (Day)trading gesprochen. Es ist Definitionssache. Ich finde jedoch, dass man unabhängig der Zeiteinheit von Scalping sprechen sollte, wenn das Ziel der Strategie darauf basiert, mehrmals am Tag einen Gewinn in der 3. oder 4. Nachkommastelle des Kurses zu erzielen. Dabei werden große (oftmals überhebelte) Positionen für kurze Zeit eröffnet und nach ein paar Punkten Gewinn wieder geschlossen.

Ob dieses Vorgehen auf Dauer profitabel durchgeführt werden kann, oder nur eine geniale Werbemaschinerie der Brokerindustrie ist, kann ich an dieser Stelle nicht beantworten. Meine Erfolge in diesem Bereich waren mäßig bis schlecht. Ich habe bisher leider auch keine Trader kennengelernt, die mit dem Daytrading langfristig erfolgreich waren. Mathematisch spricht vieles dagegen, da eine einzige ausgestoppte Verlustposition viele der zuvor gemachten Gewinne vernichtet. Ich will es jedoch auch nicht kategorisch ausschließen. Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht so weit, oder bin schlichtweg nicht der richtige Tradingtyp dafür.

Um im Handel auf den ganz kleinen Zeiteinheiten erfolgreich zu sein, ist eine extrem hohe Trefferquote notwendig. Die Gewinne müssen die entstehenden Verluste auffangen. Es gibt viele Stellschrauben, die Sie für den kurzfristigen Handel beachten und kontrollieren müssen. Sie müssen ständig auf die Märkte reagieren, ein Tradingjournal führen, Ihre Trefferquote, Durchschnittsgewinne, Durchschnittsverluste überprüfen und vieles mehr. Für den Einsteiger ist das meines Erachtens die schwierigste Methode Geld verdienen zu wollen. Der Start sollte so einfach und unkompliziert wie möglich gehalten werden und auch schon am Anfang für kleine Erfolgserlebnisse sorgen, anstatt eine Welle der Frustration zu erzeugen. Darüber hinaus liegt es auch nicht jedem Trader, seine Zeit permanent vor dem Rechner zu verbringen.

Ich bevorzuge es z.B. meine Positionen nur 1-2x täglich kontrollieren zu müssen und sonst meine Zeit anderweitig verbringen zu können. Für mich sind Zeiträume je nach Entwicklung von 1 Woche - 1 Quartal interessant. Auf diese Weise habe ich keinen zusätzlichen Stress, kann mich in der Zwischenzeit anderen Dingen widmen und habe darüber hinaus ausreichend Zeit nach weiteren Positionen Ausschau zu halten. Ohne permanent Angst zu haben, irgendetwas zu verpassen.

Besonders Anfängern rate ich daher vom kurzfristigen Handel ab. Die Gefahren werden definitiv unterschätzt. Kurzfristiges Trading erfordert weit mehr, als nur ein bisschen Grundlagenkenntnis. Machen Sie hierbei kontinuierlich Fehler, die Ihnen selbst gar nicht auffallen, werden Sie den Kontostand Ihres Handelskontos kontinuierlich nach unten korrigieren, ohne den Grund dafür zu kennen. Diese Art von Handel erfordert viel Erfahrung, ein hohes Maß an Disziplin und vor allem weitreichende Kenntnisse über die Märkte.

Entgegen vieler Ratgeber empfehle Ihnen ein antizyklisches Vorgehen bei der Wahl der Zeiteinheit. Auch wenn Ihnen jeder Broker und fast jedes Tradingvideo den Handel auf kleinen Zeiteinheiten suggeriert, fangen Sie langsam an und tasten Sie sich immer weiter zu den kleineren Zeiteinheiten hervor, wenn Sie unbedingt auf den kleinen Zeiteinheiten handeln wollen. Große Zeiteinheiten verhindern, dass Sie am laufenden Meter ausgestoppt werden. Die Trends laufen darüber hinaus beständiger. Wenn Sie Ihre Erfahrungen auf den großen Zeiteinheiten gesammelt haben, können Sie immer noch auf kleinere Zeiteinheiten umsteigen, wenn Ihnen danach ist. Die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen, ob Sie nach ein paar Trainingseinheiten an der Weltmeisterschaft teilnehmen wollen, oder sich so lange gedulden, bis Sie die nötige Erfahrung dafür mitbringen.

Als ich anfing mich mit dem Trading zu beschäftigen, habe ich bei einem Broker angefangen, der neben den Charts auch einen Chat in der Tradingplattform integriert hatte. In diesem Chat konnte man mit allen Tradern sprechen, die derzeit beim Broker eingeloggt waren. Meistens hat man dort nur folgende Sätze gelesen:“Guys, EUR/USD up or down?“ oder „I told you EUR/USD goes down!“. Lernen konnte man dort nichts, außer, dass man am Ende des Handelstage sehr oft folgenden Satz lesen konnte:“I TOLD YOU!“ Man konnte darüber hinaus die einzelnen Chatteilnehmer anklicken und deren Tradingerfolge begutachten. Dazu konnte man ebenfalls die einzelnen Trades ansehen. Da ich mein Konto bereits gegen 0 gehandelt habe, nutzte ich die Chance, um zu schauen, was andere anders machten als ich. Beim Durchzappen durch die einzelnen Trader ist mir ein spanischer Trader aufgefallen. Kontinuierlich signifikante Gewinne. Ich war erstaunt und wollte wissen wie das funktioniert. Da ich nur noch ein paar Cent auf dem Handelskonto hatte, konnte ich mir nun die Zeit nehmen mich zu informieren.

Ich schrieb den Trader an. Er war eine Sie. Eine spanische Hausfrau mit Kind, die mit dem Trading ein bisschen was dazuverdienen wollte. Sie handelte noch nicht lange, etwa 2 Monate. Sie war selbst überrascht, dass der Start so überragend war. Sie handelte nach bestimmten Indikatoren. Risikomanagement betrieb sie nach Gefühl, dennoch schien alles zu funktionieren. Innerhalb von 3 Monaten machte Sie aus einem 1.000EUR Konto ein 15.000EUR Konto. Alles auf dem 5min-15min Chart. Wahnsinn! Das wollte ich auch. Wir unterhielten uns und Sie versuchte mir Ihre Strategie näher zu bringen. Da ich damals nicht viel vom Trading verstand, klang vieles ziemlich plausibel. Irgendwann erzählte Sie mir, dass Sie sich die Hälfte der Gewinne auszahlen lässt und mit dem Rest weiterhandelt. Das war clever… Clever deshalb, weil Sie danach alles verloren hat. Kurz darauf verließ Sie den Broker und somit auch die Community. Im Nachhinein betrachtet und mit der heutigen Erfahrung kann ich sagen, dass Sie schlichtweg Glück hatte. Und nur auf Glück basierend, wird kein Portfolio oder Handelskonto viele Jahre des Handelns überdauern.

Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Weil ich im Laufe der Zeit viele solcher Geschichten mitbekommen habe. Oftmals geben die Trader nach einer so herben Verlustserie auf, verteufeln den Broker, die Märkte, und alles was mit der Börse zu tun hat und wenden sich vermutlich für eine sehr lange Zeit oder sogar für immer vom Handel ab.

Von daher halte ich die Frage, ob Trading auf den kleineren Zeiteinheiten riskanter ist, als auf den großen Zeiteinheiten, durchaus für legitim.

Bevor wir versuchen eine Antwort darauf zu finden, machen Sie sich zuerst einmal bewusst, wie ein Broker Geld verdient. Ein Broker verdient dadurch Geld, dass Sie eine Position öffnen oder schließen. Sie zahlen in der Regel eine Gebühr beim Kauf, als auch beim Verkauf Ihrer Handelsposition. Der Gewinn des Brokers fällt kleiner aus, wenn Sie eine Position über Tage, Wochen, Monate oder Jahre halten und somit seltener neue Positionen eröffnen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt... Es liegt also die Vermutung nahe, dass es schlichtweg der Job eines Brokers ist, den Tradern so viele Tradinggebühren wie möglich aus der Tasche zu ziehen, bevor Sie Pleite gehen. Das ist durch die derzeitigen Werbemaßnahmen, die mit gigantischen Hebeln und Gewinnen im Sekundentakt werben durchaus gelungen. Zumindest kenne ich keinen Broker, der mit dem Slogan wirbt: „In der Ruhe liegt die Kraft“.


Hinzu kommt noch die Macht des Hebels und eines falsch gesetzten Stoploss. Damit haben Sie den perfekten Cocktail, mit dem Sie Ihr Konto in kürzester Zeit vernichten werden. Er mag lecker schmecken, denn für einen kurzen Zeitraum werden Sie sich wie ein Profi an der Wallstreet fühlen. Wenn Sie nach einiger Zeit auf Ihren Kontostand blicken, wird es Ihnen vermutlich etwas flau in der Magengegend - Der Börsenhangover :)

Klicken Sie sich einfach mal durch die Charts. Dabei ist es egal, welchen Sie gerade vor sich haben und schauen Sie sich das gehandelte Tagesspektrum an. Als Hilfsmittel hierfür bietet Ihre Tradingsoftware in der Regel eine Linealfunktion an, mit der Sie den Abstand zwischen Tageshochpunkt und Tagestiefpunkt ausmessen können. Sie werden feststellen, dass sich der Kurs aktuell in vielen Märkten mit über 100 Punkten pro Tag bewegt. In manchen Märkten ist die Tagesspanne noch größer und der Kurs verläuft dabei keineswegs stur in eine Richtung. Wenn Sie hier auf dem 1min oder 5min Chart traden und einen falschen Stoploss setzen, werden Sie permanent ausgestoppt, auch wenn Ihre Grundidee vielleicht sogar richtig war. Verdient hat dabei nur ihr Broker, denn die Handelsgebühren haben Sie bereits gezahlt. Unabhängig von Erfolg oder Misserfolg.

Je größer der Abstand zum Stoploss, desto kleiner wird die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ausgestoppt werden. Werden Sie seltener ausgestoppt und erhöhen dadurch Ihre Trefferquote, müssen Sie pro Position weniger Gewinn erzielen, um ein profitabler Trader zu werden. Ich habe es nicht nachgerechnet, jedoch möchte ich behaupten, dass das Risiko des Ausstoppens sich nahezu exponentiell verhält, je näher Ihr Stop am Markt liegt.

Im Umkehrschluss gilt: je öfter Sie ausgestoppt werden, desto höhere Gewinne müssen Sie im Durchschnitt erwirtschaften.




Natürlich stellt jedes Investment ein Grundrisiko dar. Egal ob Sie eine Aktie, eine Fremdwährung oder eine Immobilie kaufen. Unser Ziel sollte es daher sein, das Risiko so gering wie möglich zu halten und es nicht künstlich zu erhöhen. Allerdings bringt ein extrem geringeres Risiko auch kleinere Erträge mit sich. 

Risiken sind, wenn Sie durchdacht eingesetzt werden, große Chancen. Gehen Sie keine Risiken ein, werden Sie auch keine großen Gewinne erwarten können. Es besteht jedoch ein gravierender Unterschied zwischen dem Risiko der Zeiteinheit und dem Risiko der generellen Entwicklung der Märkte. Während der Markt vielleicht kontinuierlich 6 Monate steigt, kann er im Tagesverlauf durchaus eine Spanne von 100 Punkten oder mehr erreichen. Dem generellen Verlauf schadet das nicht. Der Trader, der hierbei allerdings zu dicht am Markt handelt, wir einfach vom Platz gefegt.

Je höher das Risiko, desto höher der mögliche Gewinn oder Verlust. Sie sollten sich im Laufe der Zeit an ein gesundes Mittelmaß aus Sicherheit und Risiko herantasten. Das Gleichgewicht aus beiden können Sie natürlich gemäß Ihrer persönlichen Präferenzen anpassen. Zu viel Sicherheit resultiert in kaum spürbaren Gewinnen. Wenn Sie am Ende des Jahres auf 0,2% Rendite zurückblicken, können Sie froh sein, dass Sie Gewinn gemacht haben. Andererseits hätten Sie das Geld auch auf ein Tagesgeldkonto überweisen können. Das hätte Sie noch reicher gemacht, denn Sie hätten die Zeit anderweitig verbringen können, als vor dem Computer.

Besonders am Anfang sollten Sie die Geduld aufbringen auf den größeren Zeiteinheiten zu handeln. In diversen Foren lese ich diesbezüglich, dass Einsteiger auf Grund eines zu kleinen Kontos nicht auf größeren Zeiteinheiten handeln können, weil der Verlust bei einem sinnvoll gewählten Stoploss mit dem Risikomanagement kollidieren würde. Da Sie auf den großen Zeiteinheiten seltener ausgestoppt werden, können Sie Ihr Risiko entsprechend anpassen. Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch. Das bedeutet nicht, dass Sie All-In rufen sollen und Ihre gesamten Chips in die Mitte des Spieltisches schieben sollen. Sie müssen allerdings nicht ein durchgehendes Risiko von 1% pro Position halten. Dieser Wert hat sich als vermeintlich sichere Variante durchgesetzt, damit Sie trotz wiederkehrender Fehltrades die Möglichkeit haben weiter handeln zu können. Wenn dieses Vorgehen allerdings verhindert, dass Sie die Möglichkeit haben verhältnismäßig risikoarm zu starten oder einen korrekten Stop zu setzen, sollten Sie das Risikomanagement überdenken...

Ich halte es für einen der größten Fehler meiner bisherigen Handelskarriere direkt auf den kleinen Zeiteinheiten angefangen zu haben. Die Verführung des schnellen Geldes war einfach zu stark. Hier kurz long, hier kurz short, und zack 100EUR verdient. So hatte ich es mir vorgestellt. In der Realität sah das ganze dann etwas anders aus :) Woher sollte ich es auch besser wissen? Mir fehlte schlichtweg die Erfahrung. Ich empfehle Ihnen daher aus tiefster Überzeugung: Vergraben Sie sich anfangs nicht in kleinen Zeiteinheiten. Fehlende Erfahrung und ein fehlendes Grundverständnis werden ansonsten ein Garant für unnötige Verluste sein!

Im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns mit den Besonderheiten des Aktienmarktes und werfen einen Blick auf die Strategien der erfolgreichsten Börsenhändler wie Warren Buffett und André Kostolany.