13.11.2016

Fachartikel: Psychologie ist nicht alles!

Das Trading erlebt immer wieder verschiedene neue Trends, die dem Tradinganfänger helfen sollen, profitabel zu handeln. Auch, wenn dabei der Grundgedanke des speziellen Themas richtig und sinnvoll war, erlebt das Gesagte durch den "Stille-Post-Effekt" einen Informationswandel. Und so kommt es, dass durch Informationsübertragungen in diversen Communities irgendwann der ursprüngliche Inhalt ganz neue Formen annimmt. So auch bei unserem heutigen Thema:


Tradingpsychologie

Tradingpsychologie ist ein spannendes Thema. Ein Thema, was anfangs sehr oft belächelt wurde und mittlerweile einen regelrechten Boom erlebt. 

Eine stabile Psyche ist im Trading von entscheidender Bedeutung. Keine Frage!

Mich hat das Trading dazu gebracht vor 1,5 Jahren BWL und Wirtschaftspsychologie zu studieren, um verschiedene Erkenntnisse in diesem Bereich besser verstehen zu können.

Doch aktuell findet eine Entwicklung statt, über die wir sprechen müssen. Mittlerweile wird das Internet von Artikeln überschwemmt, die uns suggerieren, dass Trading zu über 90% Kopfsache ist. 

Waaaaaaaaaaaaaas?

Umgekehrt formuliert besteht das Trading somit nur aus 10% Fachwissen & Co, habe ich das so richtig verstanden? 

Falls ihr vorhabt, euch bei einem HedgeFund zu bewerben, könnt ihr gerne die folgende Vorlage verwenden:



"Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit bewerbe ich mich bei Ihnen als HedgeFund Manager. Ich weiß nicht viel über den Börsenhandel, aber Sie müssen wissen, dass ich über eine äußerst stabile Psyche verfüge."



Ok, ich denke diese überspitzte Darstellung spiegelt meine Meinung bezüglich solcher Aussagen deutlich wieder. Legen wir kurz eine Schweigezeile ein, um uns würdevoll von dieser Behauptung zu verabschieden und gehen wir anschließend ins Fachliche über.

[...]

Tradingpsychologie

Trading bedeutet harte Arbeit. Harte Arbeit an sich selbst, harte Arbeit, um sich ein breites Spektrum an Fachwissen aufzubauen und letztlich auch harte Arbeit darin begründet, das Fachwissen auch anwenden zu können.

Wenn wir uns vorbereitet haben und eine Order absenden, dann tun wir das, weil wir der Überzeugung sind, dass diese Order, nach unserem jetzigen Kenntnisstand sinnvoll ist (Trades aus Langeweile/Frust oder anderen Gründen ausgenommen).

Wo setzt nun der Grundgedanke der Tradingpsychologie ein:
Es gibt viele Bereiche, in denen die menschliche Psychologie im Trading eine Rolle spielt. Da dieser Text zu einem Buchband werden würde, wenn wir versuchen würden sämtliche Bereiche zu erfassen, beschränken wir uns heute auf die Trennung zwischen psychologischen Aspekten und Wissenslücken.

Trader A:

Trader A hat vom Grundsatz her ein funktionierendes Tradingkonzept. Am Ende des Jahres kann sich dieser Trader über eine Rendite von X% freuen. Mit der Zeit stört es Trader A, dass er viele Fehltrades erleidet. Er entscheidet sich dazu sein Trading Stück für Stück zu verändern, um den Fehltrades aus dem Weg zu gehen. Durch das ständige Verändern seines Tradingkonzepts werden die Ergebnisse von Trader A immer schlechter. Da dieser Prozess schleichend bzw. sogar unbewusst auftauchen kann, merkt Trader A nicht, dass er sein Trading beeinflusst, um Fehltrades aus dem Weg zu gehen (z.B. nachträgliche Änderung von Stops)

Fehltrades gehören zum Handel dazu. Wir müssen also psychisch in der Lage sein, Fehltrades ertragen zu können. Es gibt keinen Trader, der davon ausgenommen ist. Wenn wir damit nicht klarkommen, dann müssen wir an unserer Psyche arbeiten und herausfinden, warum wir damit nicht klarkommen, oder was uns daran hindert, Fehltrades zu akzeptieren (Tradingpsychologie!)

Um das ganze verständlicher darzustellen, versucht euch an dieser Stelle einen Staubsaugervertreter vorzustellen. Die älteren Semester werden die Herrschaften noch kennen, die von Tür zu Tür gehen, um die Haushalte mit neuen Staubsaugern zu versorgen. Wenn dieser Verkäufer morgens aus dem Haus geht, dann weiß er, dass ihm 7 von 10 Leuten die Tür vor der Nase zuknallen werden (Beispielwerte). Er weiß aber auch, dass er anhand seiner Erfahrung trotzdem an diesem Tag bei drei von zehn versuchen einen Staubsauger verkaufen kann. 

Wenn der Verkäufer nun Angst davor hätte, an der nächsten Tür zu klingeln, hinter der vielleicht der potentielle nächste Käufer wartet, dessen Staubsauger gerade kaputtgegangen ist, würde unser Verkäufer kein Geld verdienen. Ähnlich wäre es, wenn er nach der zweiten zugeschlagenen Tür an seiner Verkaufsstrategie zweifeln würde.

Ihr seht, die Sachverhalte sind extrem ähnlich, setzen jedoch voraus, dass wir über eine funktionierende Strategie oder über ein funktionierendes Tradingkonzept verfügen.

Trader B:

Trader B ist Anfänger. Er weiß noch nicht so wirklich, warum oder wann die Märkte steigen oder fallen könnten. Er hat im Internet schon einiges gelesen, aber irgendwie will das ganze noch nicht so richtig und Trader B schafft es nicht profitabel zu werden. Dann stolpert Trader B über den Begriff Tradingpsychologie. Er beschäftigt sich damit, und sucht nach den psychologischen Gründen, warum er es nicht schafft profitabel zu handeln. 

Wird Trader B durch die Lektüre zum profitablen Trader...? Was denkt ihr?

Zwar ist die Psychologie sowohl im Trading als auch im Leben in fast allen Bereichen anwendbar. Psychologie ist allerdings kein Allheilmittel, welches fachliche Defizite ausgleichen kann. Wenn eine Spitzenmannschaft schon 4 Spiele in Folge verloren hat, dann wird sie im 5. Spiel durchaus mit der Psyche zu kämpfen haben (Motivation etc). 

Jemand, der untrainiert ist, wird durch den Besuch beim Psychologen allerdings nicht automatisch an den olympischen Spielen teilnehmen können.

Eine Trennung zwischen Defiziten im Fachwissen und psychologischen Problemen ist unabdingar. Es kann helfen, sich die vergangenen Trades verzögert, z.B. mit einer Woche Abstand erneut anzuschauen. Würde ich diese Trades heute erneut durchführen? Ja? Nein? Warum nicht? Was ist heute anders? Warum war dies oder jenes falsch? Was hat dazu geführt, dass ich diesen Trade eingegangen bin? War ich gestresst oder gelangweilt? Hatte ich den Kopf frei? 

Seine eigenen Entscheidungen rückblickend aus verschiedenen Perspektiven zu hinterfragen mag müßig erscheinen, hilft jedoch ungemein Fehler zu erkennen und in Zukunft zu vermeiden. Erst, wenn uns eigene Fehler bewusst werden, können wir versuchen sie zu vermeiden. Logisch, denn wenn ich nicht weiß, dass ich einen Fehler mache, woher soll ich dann wissen, dass es ein Fehler ist...?




In den nächsten Tagen folgt ein Video mit einem Rückblick in die letzte Handelswoche. Dort werden wir uns auch mit dem Thema "Umfragewerte und Prognosen" beschäftigen.

Euch noch einen schönen Sonntag und morgen einen erfolgreichen Start in die neue Handelswoche!